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Bundesgemeinschaft für deutsch-niederländische Zusammenarbeit

Betrachtungen einer wechselvollen Nachbarschaft – Kolloquium zum 50jährigen Jubiläum der Bundesgemeinschaft

Zum Auftakt der Jubiläumsfestlichkeiten zum 50jährigen Bestehen der Bundesgemeinschaft trafen sich am Freitag, den 2. November 2018, mehr als 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem Kolloquium zu den deutsch-niederländischen Beziehungen in Geschichte und Gegenwart. Zunächst sprach Prof. Dr. Friso Wielenga vom Zentrum für Niederlande-Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität zum Thema Nachbarn zwischen Nähe und Distanz. Die Niederlande und Deutschland seit 1945. Nach dem Zweiten Weltkrieg galten die deutschen-niederländischen Beziehungen lange Zeit als schwierig und problembeladen. Es ist ganz gewiss nicht schwer, eine lange Liste von Ereignissen und Vorfällen zu erstellen, die die These belegen. Dennoch ist es zu einfach, die bilateralen Beziehungen auf die-se lapidare Feststellung zu reduzieren, denn die Wirklichkeit des Normalisierungsprozesses seit 1945 ist bedeutend differenzierter und nuancierter, als dies oft unterstellt wird. Der Vortrag bietet eine Übersicht über die deutsch-niederländischen Beziehungen von 1945 bis heute, in dem Deutschland vom notwenigen Partner zu einem guten Nachbarn geworden ist.

Zur Entwicklung der deutsch-niederländischen Kulturbeziehungen nach 1945 hielt Prof. Dr. Guillaume van Gemert von der Radboud Universität Nijmegen einen Vortrag mit dem Titel Skeptische Zurückhaltung und vertraute Nähe. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die deutsch-niederländischen Kulturbeziehungen auf beiden Seiten geprägt von Zurückhaltung; der Niederländer hegte Misstrauen dem einstigen Besatzer gegenüber und steigerte sich in die Opferrolle hinein, während auf deutscher Seite das Bewusstsein der Zugehörigkeit zum ‚Tätervolk‘ einen unbefangenen Umgang mit der Nachbarnation verhinderte. Die Kontakte liefen bis weit in die fünfziger Jahre vorwiegend auf institutionalisierter Ebene ab. In Deutschland oblag die Vermittlerrolle eher der akademischen Niederlandistik. Seit den sechziger Jahren entfalteten sich viel stärker auch private Initiativen der Annäherung, etwa über Geschichtsvereine. Mag die überhandnehmende Anglifizierung sich auf die deutsch-niederländischen Beziehungen auch nachteilig auswirken, Institutionen wie die Deutschland-Institute in Amsterdam und Nijmegen und andererseits die Niederlande-Studien in Münster dürften hier gegensteuern.

Im Vortrag von Dr. Gerd Busse aus Dortmund stand der deutsch-niederländische Literaturtransfer am Beispiel von J.J. Voskuils Het Bureau im Mittelpunkt. Im Allgemeinen verläuft der niederländisch-deutsche Literaturtransfer – wie auch der deutsch-niederländische – reibungslos: Ein Buch ist kaum zwei Jahre alt, und schon liegt es in Übersetzung vor. Manchmal brauchen die Dinge jedoch etwas mehr Zeit, wie etwa bei dem siebenbändigen Monumentalroman Het Bureau des Amsterdamer Autors J.J. Voskuil, der erst nach 20 Jahren und zwei Verlagen auf Deutsch erscheinen konnte – dann aber auch in Deutschland großen Anklang fand. Der Übersetzer Gerd Busse berichtet über die mühsame Suche nach einem geeigneten Verlag, die Widerstände, auf die er dabei stieß, die Schwierigkeiten bei der Übersetzung dieser urholländischen Bürosaga und die besondere Rolle, die das Haus der Niederlande in Münster beim Zustandekommen der deutschen Ausgabe spielte.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den deutsch-niederländischen Euregios war Gegenstand des Vortrages von Frau PD Dr. Claudia Hiepel von der Universität Duisburg-Essen mit dem Titel Europa im Kleinen. Die Wiege der Euregios steht im deutsch-niederländischen Grenzraum. Hier ergriffen Vertreter der Kommunen und anderer Gebietskörperschaften seit den späten fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Initiative und gründeten sogenannte Euregios. Die EUREGIO Rhein-Ems-IJssel machte 1958 den Auf-takt. Es folgten in den siebziger Jahren die Euregio Rhein-Waal, die Euregio Maas-Rhein, die Ems-Dollart-Region und die Euregio Rhein-Maas-Nord. Den Akteuren ging es zum einen darum, die Nachteile der Randlage durch die Verbesserung der Infrastruktur und durch wirtschaftliche Kooperation über die Grenze hinweg auszugleichen. Zum anderen aber war es ihnen auch ein Anliegen, einen Beitrag zur Überwindung mentaler Grenzen zu leisten und die Annäherung zwischen Deutschen und Niederländern zu fördern.

Es folgten zum Schluss drei Beiträge zur Geschichte der Bundesgemeinschaft von Prof. Dr. Manfred Balzer (Münster) und Dr. Hado Ebben (Emmerich), zur deutsch-niederländische Vereinigung Liemers-Niederrhein von Frau Stoni Scheurer aus Lobith sowie einen Ausblick auf die Zukunft der Bundesgemeinschaft von Dr. Loek Geeraedts aus Münster.

Das Kolloquium war außerordentlich gut Besucht. Insgesamt mehr als 120 Besuchern, darunter gut 40 Oberstufen-Schülerinnen und Schüler dreier Gymnasien aus Emmerich und Kleve, hörten die Vorträge mit großem Interesse zu.

Im nächsten Jahr können die Beiträge in einer ersten Broschüre der Schriftenreihe der Bundesgemeinschaft nachgelesen werden.

Foto: Bruno Meester